Vermutlich kennst du die korrekte Fassung dieses alten Sprichwortes: „Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.“ Es geht dabei um die Frage der Verfügbarkeit. Das war auch das Thema des grandiosen Abschlussvortrages von Professor Hartmut Rosa auf dem gerade zu Ende gegangenen Kongress „Meditation & Wissenschaft“ in Berlin.

Was in meinem Leben habe ich tatsächlich verfügbar, also in meiner Hand? Und welcher Anteil meines Lebens ergibt sich einfach, ist schicksalhaft? Bei der Beantwortung dieser Frage neigen wir zur hemmungslosen Selbstüberschätzung. Nahezu alles, was in meinem Leben „gut gelaufen ist“, schreiben wir dann unserer eigenen Leistungsfähigkeit und unseren eigenen Talenten zugute. Selbstkritische Menschen schreiben auch das, was „nicht gut gelaufen ist“, sich selbst zu.

In der Meditation haben wir die Chance, die ernüchternde Entdeckung zu machen, dass der allergrößte Anteil an der Story unseres Lebens nicht in unserer Hand lag. Es hat sich ergeben. Das fängt schon mit der Geburt an. Niemand hatte dich gefragt, ob und wann du geboren werden wirst. Deine Eltern konntest du dir auch nicht aussuchen. Und deine Karriere ist im Wesentlichen von glücklichen Umständen bestimmt, von schicksalhaften Konstellationen, die sich einfach so ergeben haben. Alles hätte auch ganz anders laufen können. Es lag nicht in deiner Hand. Das Ego hört diese Erkenntnis natürlich nicht so gerne.

Das Thema, das ich hier im Plauderton aufmache, ist allerdings existenziell: Welcher Anteil meines Lebens ist selbstbestimmt (richtig ehrlich!)? Welche Rolle spielt der Zufall, das Schicksal in der Gestaltung meines Lebens? Meine persönliche Kalkulation liegt bei ungefähr 90:10 Prozent. Go with the flow, ist die dazu gefundene Spielregel. Allerdings ist dieser flow nicht etwa die Wasserrutschbahn im Funpark, sondern in den meisten Fällen ein ziemlich heftiges Gewässer. Und selbst das hast du dir nicht ausgesucht. Sich dem Schicksal anzuvertrauen, heißt eben nicht, sich auf die Luftmatratze legen und sich treiben zu lassen. Es heißt, sich mit dem Fluss des Schicksals zu verbünden – und nicht dagegen zu arbeiten. Aber was will denn das Schicksal eigentlich von mir?

Die Antwort ist sowohl simpel wie auch brutal: Transformation. Transformation ist das, was wir Lebenskunst nennen könnten. Lebenskunst wiederum meint, sich dem Schicksal hundertprozentig anzuvertrauen – und dabei zu blühen.

Vielleicht in Rosa…?

Gassho
Paul