Als Meditierende haben wir es wirklich besser. Wir sehen ja die Dinge mit ein bisschen mehr Abstand als die Normalos. Deshalb sind wir auch nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen.

„Wenn du dem Unheil begegnest, ist es gut, dem Unheil zu begegnen“, heißt es so schön beim Zen-Meister Ryokan. Und bestimmt kennst du einige Koans, in denen es darum geht, die Dinge geschehen zu lassen. Zum Beispiel die Geschichte von dem Mönch, der dem Samurai begegnet, der gerade geschworen hatte, mit 100 Menschen, die seinen Weg kreuzen, auf Leben und Tod mit dem Schwert zu kämpfen. Dieser Mönch war nun der Hundertste. 99 hatte der Samurai schon erschlagen oder erstochen. Der Grund für diese Nummer des Samurai sei eine tiefe Kränkung gewesen, so wird gesagt. Der Mönch hat das übrigens überlebt, angeblich weil er einfach meditiert hat und stehen geblieben ist, ohne sich zu wehren. Und da musste der Samurai weinen.

Nun will ich den Wert solcher Lehr-Geschichten keineswegs lächerlich machen. Denn in der Tat lassen sich ja erstaunlich viele Angelegenheiten durch Nichthandeln erledigen. Gerade heute in einer Gesellschaft des Aktionismus ist das für viele Menschen eine verblüffende Erkenntnis. Nicht handeln, einfach laufen lassen, das ist ein gutes Rezept ... Wie zu erwarten, gibt es natürlich auch die andere Seite im Zen, nämlich das entschiedene Handeln. Wenn zum Beispiel der Zen-Meister beim Streit der beiden Klosterflügel um eine Katze diese kurzerhand mit einem Schwert zerteilt, dann ist das zwar eine ziemlich grausige Tat, die natürlich nur symbolisch gemeint ist, aber zeigt, dass entschiedenes Handeln wesentlicher Teil der meditativen Erfahrung ist.

Damit kommen wir zur Überschrift. Achtsamkeit meint nämlich, achtsam zu sein, um leichter entdecken zu können, wo es gut ist, den Dingen ihren Lauf zu lassen – aber auch, wo es gut ist zu handeln. Sofern ich das richtig überblicke, ist die Welt derzeit Lichtjahre davon entfernt, klug entscheiden zu können, was dringend und was wirklich wichtig ist. Wichtig ist natürlich immer zuerst einmal die Gegenwart. Die jedoch hat den Nachteil, dass man an ihr nichts mehr verändern kann. Sie ist so, wie sie ist. Dann haben wir noch die Zukunft, da haben wir zumindest Chancen, schöpferisch einzugreifen. Warum fällt uns das so schwer? Es ist ja nicht so, dass die ganze Welt mega-entspannt ist und alle sich im Loslassen üben. Warum tun wir nichts, für das, was in 20, 50 oder 100 Jahren sein soll? Wir sitzen erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange – und tun nichts.

Dann haben wir noch die Vergangenheit. Wozu ist die gut? Da gibt es schließlich auch nichts mehr zu tun. Die Vergangenheit zeigt uns jedoch, wie das Leben, die Erde, der Kosmos funktioniert, welche Gesetzmäßigkeiten von hier nach dort führen. Eine zentrale Erfahrung aus unserer Vergangenheit ist, wenn der Mensch nicht handelt, überlässt er sich einem völlig ungewissen Schicksal. Vergangenheit heißt also, lernen klug zu handeln.

Inzwischen werden die absehbaren, erkennbar dramatischen Transformations-Prozesse auf der Erde endlos besprochen, gefilmt, kommentiert. Es ist wie eine tibetische Gebetsmühle.

Und niemand wacht auf.

Der flapsige Hippie-Spruch, „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin“, ist offensichtlich inzwischen zur Standard-Haltung geworden, allerdings nicht so lustig wie bei den Hippies, sondern als bitterer Ernst in Form von Gleichgültigkeit, Wegschauen, Ignoranz.

Vielleicht können wir wirklich nicht viel tun, das muss jeder/jede für sich selbst entscheiden.

Aber sich meditativ offen halten für eine lebenswerte Zukunft, damit kann jeder/jede helfen, „es zu ermöglichen“.

Bitte aufwachen.

Gassho
Paul